Pflegeheime - Raumgestaltung, Kontraste, Farben
Wenn sich Sinne und Geist verändern ...
Im Alter ändern sich Sehfähigkeit, Farbwahrnehmung und zum Teil auch kognitive Fähigkeiten. Wer für das Wohnen im Alter, für Pflegeheime oder den Tourismus plant, muss den demografischen Wandel berücksichtigen, das Gestaltungskonzept den besonderen physiologischen und psychischen Bedürfnissen der NutzerInnen anpassen und so für gute Orientierung sorgen.
Gestalten fürs Alter: Zeit für neue Sichtweisen
Demografischer Wandel in Deutschland
Die Bevölkerung Deutschlands wird immer älter. Das ist bekannt. Die konkreten Zahlen lassen dennoch aufhorchen. 2030 wird jeder Vierte über 65 Jahre alt sein, 2060 sogar jeder Dritte. Derzeit sind rund zehn Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig oder schwerbehindert. Fast drei Millionen Menschen davon werden schon heute in Pflegeeinrichtungen vollbetreut. Weitere sieben Millionen werden zu Hause versorgt. Viele von ihnen nutzen spezielle Tages- und Nachtpflegeangebote, insbesondere für Demente. Diese Angebote werden derzeit durch zahlreiche Neubauten wesentlich ausgebaut.
Wie stark der Bedarf noch wachsen wird, lässt sich nur abschätzen. Die schon jetzt regen Bau- und Sanierungstätigkeiten im Senioren- und Pflegebereich werden jedoch mit Sicherheit noch zunehmen. Aktuell planen 85 Prozent der Pflegeheimbetreiber Sanierungsarbeiten oder größere Investitionen. Bis 2019 sollen außerdem rund 1.360 neue Pflegeeinrichtungen entstehen – das sind rund 10 Prozent mehr als der heutige Gesamtbestand. Es gibt also viel zu tun für Planer und Architekten. Fragt sich nur: Lässt sich diese Aufgabe allein mit konventionellen Gestaltungskompetenzen lösen?
Anders denken - anders planen
Jeder, der schon einmal für diesen Bereich geplant hat, wird mit einem klaren "Jein" antworten. Das legen zumindest die Erfahrungen der Teilnehmer der Brillux Seminarreihe "Farbe erleben im Alter" nahe. Bundesweit haben hier Architekten den Austausch mit ebenfalls teilnehmenden Pflegeheimbetreibern gesucht und sich essenzielles Praxiswissen zu den Besonderheiten dieser Bauaufgabe angeeignet. Sie fokussieren sich auf drei wesentliche Größen: Die Kenntnis der Nutzergruppen, das Wissen und das Einfühlungsvermögen in verbreitete körperliche und geistige Einschränkungen alter Menschen sowie, daraus resultierend, deren praktische Konsequenzen für Farb- und Gestaltungskonzepte.
Ein ganzer Nutzerkosmos im Dialog
Ein Alten- oder Pflegeheim ist vieles gleichzeitig: Wohnort für alte Menschen, Arbeitsort für Pflegepersonal und Therapeuten, Besuchsort für Angehörige. Alle haben unterschiedliche Bedürfnisse, alle wollen und sollen im Gesamtkonzept berücksichtigt werden. Sicherheit, Geborgenheit und Anregung stehen in Bezug auf die Bewohner an erster Stelle. Wertschätzung und Motivation durch angemessen gestaltete "Personalinseln" sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Personalfindung und -bindung relevant. Angehörige fühlen sich durch ein freundliches, sauberes und offenes Ambiente angesprochen. Noch mehr als bei anderen Bauprojekten ist hier in der Konzeptionsphase der intensive Dialog mit den Betreibern und der mittleren Führungsebene im Haus selbst gefragt. Denn Pflegeheimeinrichtung ist nicht gleich Pflegeheimeinrichtung. Ein Haus, in dem ausschließlich Demenzkranke betreut werden, wird an den Architekten gänzlich andere Vorgaben formulieren als ein Heim, in dem Senioren mit leichten körperlichen Defiziten leben, oder eine Einrichtung, die vor allem bettlägerige Menschen in ihrer Obhut hat.
Wenn sich Sinne und Geist verändern ...
Gestaltung wird erst lesbar durch Wahrnehmung. Doch es ist genau diese sinnliche Wahrnehmung, die sich beim Menschen durch Alterungsprozesse erheblich verändert. Die meisten älteren Menschen hören schlechter oder büßen Teile ihres Riech-, Geschmacks- und Tastvermögens ein. Entscheidend für Raumgestalter ist jedoch die erhebliche Einschränkung des Sehsinns, von der fast die Hälfte aller Pflegeheimbewohner betroffen ist. Am verbreitetsten sind Augenerkrankungen, bei denen die Sehschärfe abnimmt, sich die Blendempfindlichkeit erhöht sowie die Kontrastwahrnehmung schlechter wird und sich die Farbwahrnehmung verändert. Welche dramatischen Folgen dies für das Erleben einer für Normalsichtige gestalteten Umwelt hat, erlebten die Seminarteilnehmer mit Brillen, die entsprechende Seheinschränkungen simulierten: Desorientierung, Gangunsicherheit und ein generalisiertes Unwohlsein stellten sich nach wenigen Minuten ein. Ebenso wichtig ist es für Gestalter, eine Vorstellung von der häufigsten geistigen Einschränkung zu bekommen, die Menschen jenseits der 70 betreffen kann: Demenz. Der sukzessive Verlust des Kurzzeitgedächtnisses führt dazu, dass sich Demente vielfach nur noch in einem räumlichen Umfeld sicher und orientiert fühlen, das sie aus ihrer Jugend oder ihrem jungen Erwachsenenalter kennen.
... passt sich gute Gestaltung an
Konkret muss das Wissen um Seheinschränkungen bei älteren Menschen zu einer andersartigen Auswahl von Farbtönen und Oberflächenqualitäten sowie zu einem adaptierten farbigen Leitkonzept führen.
Beispiel Farbwahrnehmung: Eiweißablagerungen auf der Linse werden nicht mehr abgebaut, als Folge färbt sich die vormals klare Linse des Auges zunehmend gelblich. Dadurch können Grün, Blau und Violett schlecht unterschieden werden.
Beispiel Raumwahrnehmung: Im Sinne eines offenen Raumgefühls werden Elemente wie Säulen bei gewöhnlichen Bauten farblich zurückgenommen. Für sehbehinderte Menschen sind sie jedoch Hindernisse, die visuell betont werden müssen.
Beispiel Blendempfindlichkeit: Auch hier setzt die Linsentrübung die Toleranz für Lichtreflexionen stark herab. Ein Licht- oder Schattenwurf im Raum kann zur gefühlt unüberwindlichen Barriere werden. Gestaltungen wie großflächig glänzend beschichtete Flächen und Böden sind daher für seheingeschränkte Menschen ein enorm verunsichernder Faktor. Auch bodentiefe Fenster ohne entsprechenden Blendschutz sind vor diesem Hintergrund kritisch zu sehen.
Wer dagegen visuell förderlich und barrierefrei nach DIN 32975 - Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung für ältere Menschen gestaltet, hat bei benachbarten Farbflächen immer ihren Leuchtdichtekontrast vor Augen. Er sollte z.B. zwischen Boden und Wand oder auch zwischen Wand und Gliederungsflächen (Zargen, Türen und Absetzflächen) bei mindestens 0,4 liegen. Für die Markierung von Hindernissen (wie Absturzkanten im offenen Treppenhaus, Stützen, Hilfs- und Notrufeinrichtungen) sowie die Darstellung von Informationen (Raum-, Etagennummer usw.) wird ein Kontrast von 0,7 gefordert. Berechnet wird er auf Basis der Hellbezugswerte (HBW) von Farben. Auf der Brillux Website steht ein Kontrastrechner für die exakte Ermittlung zur Verfügung (siehe Kasten).
Darüber hinaus kann planerisch noch viel mehr für das Geborgenheitsgefühl der Bewohner getan werden. In Einrichtungen für Demenzkranke hat sich eine besondere Raumgestaltung bewährt: Hier wird immer häufiger der Dekorations- und Einrichtungsstil zitiert, den die Bewohner aus ihrer wichtigsten Lebensepoche kennen – von Tapeten über das Mobiliar bis hin zu Erinnerungsstücken. Fast unnötig zu sagen ist, dass gerade diese Menschen sich extrem verloren in Räumen bewegen, die mit aktuellen Trendoberflächen gestaltet sind: Mit Beton- oder Rostoptik wird in ihrer Vorstellung maximal etwas Unfertiges, doch auf keinen Fall ein heimatliches Wohlgefühl assoziiert.
Zeit für individuelle Konzepte
Der Blick auf entscheidende Details wandert wieder auf die Gesamtaufgabe. Das richtige Maß an Sicherheit, Orientierung und Atmosphäre muss schließlich für alle Funktionsbereiche einer Einrichtung – vom Eingangsbereich über die Flure bis hin zu Bewohnerzimmern, Gemeinschafts- und Therapieräumen sowie Personalbereichen – nutzungsbezogen und doch in sich schlüssig geschaffen werden. Hier liegt eine stets individuelle und gerade deshalb äußerst spannende Aufgabe vor jedem Gestalter. Erfahrung und Know-how sind dabei natürlich hilfreich. Planer, Architekten und Innenarchitekten können sich hier die Farbgestalter der Brillux Farbstudios mit ins Boot holen. Sie verfügen über das nötige Fachwissen und die Gestaltungskompetenz, die sich an unzähligen Objekten in der Praxis bewährt haben.