Ambient Assisted Living (AAL) - Altersgerechte Assistenzsysteme als Hilfe für künftiges Wohnen und sicheres Leben

Schlafzimmer mit Bett und NachtschrankNotrufuhr, Hausnotruf Geofencing, traditionelller HausnotrufGespräch per App mit dem Postboten vor der Tür

In hoch entwickelten Industrienationen werden die Menschen immer älter und wollen möglichst lang und unabhängig in den eigenen vier Wänden leben. Dennoch haben Senioren spezielle Bedürfnisse und Wünsche, die sich von jüngeren Mitbürgern unterscheiden. Hier ergänzen sich inzwischen Mensch und Technik zu einer optimalen Kombination.

In Deutschland wächst der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig. Das Statistische Bundesamt bestätigt die Zunahme der Privathaushalte von über 60-Jährigen, besonders der Einpersonenhaushalte. Im Moment leben die älteren Menschen etwa in einem Viertel (25%) aller Privathaushalte, schon 2025 wird es sogar ein Drittel sein (33%).
Je älter man wird, desto geringer ist die Bereitschaft, den Wohnort oder die gewohnte Wohnung zu wechseln, selbst wenn es von Jahr zu Jahr immer schwieriger wird, den eigenen Haushalt und die Selbstversorgung aufrecht zu erhalten.

Zwischenmenschliche und moderne technische Hilfe ergänzen sich

Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis und Unterstützung aus der eigenen Familie mögen hier zwischenmenschliche Unterstützung bieten: Im Idealfall findet sich zum Beispiel so im persönlichen Umfeld des allein lebenden, älteren Menschen jemand, der zweimal pro Woche beim Einkaufen hilft. Von jenem Helfer allerdings bei jedem Verlassen der Wohnung zu erwarten, dass er überprüft, ob nicht noch irgendwo ein Bügeleisen oder eine Herdplatte brennt, wäre sicher zu viel verlangt.
Hier hat sich jedoch die Technik entscheidend weiter entwickelt. Seit 2008 läuft noch bis zum Jahr 2013 ein europäisches Forschungsprojekt, das unter dem Namen "Ambient Assisted Living Joint Programm" (AAL - JP) altersgerechte Assistenz-Systeme entwickelt und prüft, die Senioren den selbständigen Verbleib in den eigenen vier Wänden möglichst lang ermöglichen.

Was sind die Wünsche und Bedürfnisse von Senioren und Beeinträchtigten?

Unter der Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) laufen in Deutschland derzeit 18 Projekte, die mit 50 Millionen Euro gefördert werden, um AAL auf den Prüfstand zu stellen. Das Berliner Institut für Sozialforschung (BIS) hat unter Leitung von Dr. Eva Schulze bereits mehrere wissenschaftliche Untersuchungen dazu durchgeführt. Dabei gaben die Bewohner der Modellprojekte folgende Forderungen an die neuen Assistenzsysteme an:

  1. Sicherheitstechniken
  2. Technik, die den Komfort erhöht
  3. Technik zum sparsamen Energiemanagement und
  4. kommunikationsfördernde Technologie

Intelligente Vernetzung

Die Technologie steuert beispielsweise Haushaltsgeräte, die beim Verlassen der Wohnung automatisch abgeschaltet werden. Außerdem garantiert sie ein möglichst sparsames Energiemanagement, dient der Überwachung der Sicherheit und ist an ein externes Notrufsystem gekoppelt, das auch im medizinischen Notfall reagiert. Weltweite Kommunikation wird über ein entsprechendes System zum Beispiel über Internet, Video-Telefone oder die direkte Vernetzung mit anderen Haushalten geboten.

[Schulze, E., Smart - Home für Ältere. Eine Analyse von Best-Practice-Beispielen, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V., Jg. 91, 10/2011, S. 458-462]

Bedenken der Betroffenen und Defizite von AAL-Systemen

Bisher haben sich Barrierefreiheit und vor allem die neuen AAL-Technologien bei weitem noch nicht in allen Köpfen durchgesetzt. Frau Dr. Schulze kommt zu dem Ergebnis, dass AAL-Systeme bisher noch wenig bekannt sind. So finde man beispielsweise kaum einen Elektriker mit dem entsprechenden Know-how zur Installation. Mit Blick auf die demografische Entwicklung ist allerdings der gesamten Handwerkerschaft zu empfehlen, sich diesbezüglich fortzubilden.

Aber auch viele Betroffene, beispielsweise mit seelischen oder körperlichen Einschränkungen, lehnen AAL statistisch betrachtet häufiger ab als Nicht-Betroffene. Die Studien des BIS machen dafür unter anderem die Angst vor Stigmatisierung verantwortlich. "Man selber will nicht wahrhaben, dass man gebrechlicher wird und anderen gegenüber will man es auch nicht zeigen. Motto: Ich will kein Seniorenhandy. In unsere Gesellschaft ist Alter kein positives Attribut. Das führt zu Tabuisierungen und Ängsten", erklärt Dr. Schulze.

Andere Abwehrhaltungen werden sich mit der Zeit und den sich ändernden Grundeinstellungen wahrscheinlich erübrigen: Beispielsweise bringen im Moment noch viele Betroffene ein AAL-System mit Überwachung in Verbindung, wenn die eigenen Bewegungsprofile aufgezeichnet werden, um bei einer Abweichung einen Alarm auszulösen. Übrigens sind betroffene Frauen gegenüber der neuen Technologie statistisch betrachtet deutlich aufgeschlossener als Männer, die eher auf eine familiäre Pflege setzen. Das liegt daran, dass gerade Frauen häufig Erfahrung in Betreuung und Pflege ihrer Angehörigen haben und daher wissen, wie belastend das sein kann.

Förderung von AAL-Systemen durch die KfW seit 2012

Ein derzeitig sehr entscheidendes Defizit von AAL ist der Kostenfaktor: Sowohl in der Anschaffung, über die Installation bis hin zu den Nachfolgekosten (beispielsweise bei Änderungen vorgenommener Einstellungen durch Experten) sind die Assistenzsysteme vergleichsweise noch teuer.

Über die von der Bundesregierung wie oben beschrieben im Rahmen der EU-Forschung geförderten 18 Projekte hinaus, kann von jedem Bürger bei der KfW ein Förderkredit Nr. 159 in einer Höhe bis zu 50.000 Euro pro Wohneinheit für den Umbau zu altersgerechtem Wohnraum beantragt werden.

Fazit: Umdenken zur Kombination von Mensch und Technik ist nötig

Neue Technologie und zwischenmenschliche Hilfe für ältere oder beeinträchtigte Menschen, die dennoch lieber in ihren eigenen vier Wänden statt in einem Seniorenheim oder in einer Pflegeeinrichtung leben, sind schon heute keine Gegensätze mehr. Ein sicheres "sich gut fühlen" wird gewährleistet durch eine perfekte Kombination von intakter Nachbarschaftshilfe und aktuellen AAL-Systemen. Mensch und Technik ergänzen sich zu einer optimalen Kombination, die ein möglichst selbständiges Leben auch im Alter gewährleistet.

In den Köpfen der Bevölkerung sollte ein Bewusstseinswandel stattfinden: Älter und damit gebrechlicher beziehungsweise eingeschränkter zu werden, ist völlig natürlich und in Zukunft kein Makel mehr. Handwerker sind aufgerufen, sich entsprechend neuer AAL-Technologien fortzubilden. Und auch die Unternehmen, die bereits in die Entwicklung und Produktion von AAL investiert haben, dürfen sich nicht weiter verstecken, sondern müssen offensiv auf dem Markt auftreten und ihre zukunftsträchtige Technologie entsprechend vermarkten.

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Autorinfo

Helmut Schäfer
Redaktion nullbarriere.de

10249 Berlin

Zusatzinfo

Die Zahl der über 80-Jährigen wird sich von heute 3,7 Millionen bis zum Jahr 2050 auf gut zehn Millionen Menschen etwa verdreifachen.

93 Prozent der über 65-Jährigen leben in ihrer angestammten Wohnung und wollen nicht in ein Heim.

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